Inklusion – könn‘ wa, oder?
Von Ben Kettner

Warum schreibe gerade ich über das Thema „Inklusion“? Die Wichtigkeit des Themas hat mich im letzten Jahr geradezu überrollt. Wer mich kennt, weiß es schon, wer mich nicht kennt, dem gebe ich hier als Hintergrund mit, dass meine Frau seit einem Schlaganfall im November 2018 im Rollstuhl sitzt. Ein Experte für Inklusion bin ich deshalb bei Weitem noch nicht, dennoch bin ich direkt dadurch betroffen und möchte daher einige Gedanken dazu für GroupByAll zu (e-)Papier bringen.

Was ist mit Inklusion gemeint?
Unter Inklusion verstehe ich (und das ist nun beim besten Willen keine wissenschaftliche oder in irgendeiner Form offizielle Definition), wie einfach oder schwer es Menschen gemacht wird an unserer Community teilzunehmen. In meinem konkreten Fall könnte man damit beispielsweise die Frage verbinden, ob eine Location barrierefrei ist, also mit einem Rollstuhl zugängig. Natürlich denkt jetzt jeder „klar sind unsere Locations barrierefrei“. Das wäre beim SQL Saturday im Münchener Microsoft-Office ja auch ein Wunder, wenn sie das nicht wären. Aber: sind denn die Rollstuhl-WCs auch wirklich erreichbar am Samstag ohne Keycard? Ich wüsste es, obwohl ich schon mehrfach vor Ort war nicht aus dem Kopf und auch wenn ich in diesem Jahr darauf geachtet habe, kenne ich die Antwort nicht. Selbige Frage stellt sich natürlich auch für den SQL Saturday im Rheinland oder die SQL Konferenz. Natürlich haben die Hochschule und das Darmstadtium Rollstuhl-WCs, doch befinden sich diese in Räumen, die an den Veranstaltungstagen frei zugänglich sind? Man mag das für kleinlich halten, schließlich kann man zum Beispiel bei Microsoft die Security im Zweifel sicher bitten den Weg zum WC zu öffnen. Doch stellt euch mal vor, was so eine „Kleinigkeit“ am Ende für eine erwachsene Frau im Rollstuhl eventuell für eine Hürde darstellt, wenn sie wildfremde Männer bitten muss, sie zum WC zu begleiten. Nicht, dass das in unserem Fall ein größeres Problem wäre (schließlich wäre in dem Fall ja auch ich dabei), aber ich kann mir durchaus auch Szenarien vorstellen, wo das Menschen unangenehm wäre.

Damit ihr mich nicht falsch versteht…
Nichts liegt mir ferner, als ein schlechtes Wort über unsere Veranstaltungen zu verlieren, ich bin immer gerne zu Gast und freue mich sehr darüber, dass es Menschen wie Tillmann, Oliver, Erik, Frank, Kostja, und, und, und… gibt, die ihre Zeit opfern, um eine Veranstaltung letzten Endes für uns auf die Beine zu stellen (danke dafür). Trotzdem finde ich, auch als uneingeschränkter Fan einer Veranstaltung sollte man mal hinterfragen „könnten wir es besser machen“. Gerade im Hinblick auf GroupByAll.

Was meine ich mit Inklusion nicht?
Ich meine nicht, dass jeder Veranstalter einer Regionalgruppe darauf eingerichtet sein sollte, dass möglicherweise ein gehörloser Besucher kommt und vorsorglich einen Gebärdendolmetscher im Haus haben sollte. Ich meine auch nicht, dass jede Veranstaltung, die wir machen zwingend barrierefrei sein muss. Es gehört in unserer Zeit leider dazu, dass es Barrieren für bestimmte Menschen gibt. Dazu können Banalitäten wie hohe Bürgersteige, Unannehmlichkeiten wie eine (zu) enge Location beim Speaker Dinner bei der man mit Rollstuhl immer Durchgänge blockiert oder auch „Katastrophen“ wie eben überhaupt keine erreichbare Toilette gehören. Wir als Community können diese Barrieren nicht abbauen, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und es ist die Aufgabe des oder der Einzelnen, sich seiner oder ihrer Barrieren bewusst zu sein und gegebenenfalls mit ausreichend Vorlauf den Veranstalter zu kontaktieren und zu klären, wie damit umgegangen werden kann. Wir als ehrenamtliche Organisatoren einer Community können und müssen nicht von Anfang an zwingend auf jede Beeinträchtigung eingerichtet sein.

Was können wir als Community dann tun?
Wir sind eine Face to face Community. Das heißt der Großteil unserer Events lebt davon, dass wir uns von Angesicht zu Angesicht treffen und austauschen. Weil uns das wichtig ist, wäre es natürlich wünschenswert, diesen Austausch auch Menschen zu ermöglichen, die in welcher Form auch immer beeinträchtigt sind. Das heißt wir als Veranstalter von Events sollten immer offen reagieren, falls wir nach möglichen Hindernissen für die Teilnahme gefragt werden. Und auch als Mitglieder der Community sollten wir offen sein und einander helfen, doch das versteht sich ja eigentlich von selbst.

Wo können wir besser werden?
Ich glaube als Community sind wir schon sehr gut darin, uns gegenseitig beim Überwinden von Barrieren zu helfen. Trotzdem können wir sicher an manchen Stellen noch besser werden. Wir könnten beispielsweise (auch wenn ich mich damit gerade ins eigene Fleisch schneide, da ich die Umsetzung am Ende leisten muss) anfangen, rollstuhlgerechte Locations auf unserer Webseite zu kennzeichnen und auch das Vorhandensein eines öffentlich erreichbaren Rollstuhl-WCs dort kenntlich zu machen. Wir könnten, wenn wir das Speaker Dinner planen, fragen, ob jemand besondere Anforderungen hinsichtlich der Barrierefreiheit hat. Wir könnten darüber hinaus natürlich inklusiver werden, indem wir vorab klären, ob es bestimmte Diätwünsche (Koscher, Vegan, Laktoseintolerant) gibt und zum Beispiel beim Kuchen entsprechend kennzeichnen. Ich bin mir sicher, dass alle von uns, wenn sie darüber nachdenken noch viel, viel mehr Ideen haben, wie man Menschen mit besonderen Anforderungen (welche auch immer das sein mögen) den Zugang zu unserer Community erleichtern kann. Wo wir also besser werden können ist, dass wir anfangen können, uns über diese Dinge Gedanken zu machen. Wir müssen nicht über Nacht besser sein als die Gesellschaft, aber wir können unseren Teil dazu beitragen, dass unsere Community hier eher Vorreiter als Nachzügler ist.

Wo sind wir schon perfekt?
Aufgrund der eingangs beschriebenen Situation war ich ursprünglich aus der Not heraus gezwungen, meine Tochter zu einem SQL Saturday mitzubringen (oder selber nicht kommen zu können). Deshalb habe ich nach Rücksprache mit dem Veranstalter mit ihr zusammen einen Vortrag für den SQL Saturday im Rheinland 2019 eingereicht. Mit meiner (damals noch) siebenjährigen Tochter zusammen vorzutragen war ein einzigartiges Erlebnis und hat mich unendlich stolz gemacht. Die Art, wie hier Inklusion gelebt wurde und Pia in die Community aufgenommen wurde geht aber viel weiter als eine bloße „Akzeptanz“ unseres Vortrags: sie wurde mit derartig offenen Armen empfangen, dass sie am liebsten direkt den nächsten Vortrag geplant hätte. Das ist für mich „Inklusion“ wie sie sein sollte: ein siebenjähriges Mädchen kann auf unseren Events vortragen, alle die wir trafen (Sprecher wie Teilnehmer) sind offen und freundlich auf sie zugegangen und unglaublich viele von euch haben sich mit ihr beschäftigt und ihre bislang zwei SQL Saturdays zu für sie unvergesslichen Erlebnissen gemacht, indem ihr mit ihr gesprochen habt, sie einbezogen habt und auf ihre speziellen Bedürfnisse Rücksicht genommen habt. So sollte Inklusion funktionieren und (nicht nur) bei diesen beiden Ereignissen habt ihr mir gezeigt, dass die PASS eine Community ist, die Inklusion lebt und, dass der Name #SQLFamily mehr ist als eine Worthülse. Danke!